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Allgemein

Sommersemester 2024 – Philipps Universität Marburg ermöglicht Vornamens- und Geschlechtseintragsänderung über Selbstauskunft auf Initiative der Rosa Liste Marburg.

Dieser Durchbruch ist das Ergebnis eines dreijährigen Prozesses, der von entschlossenen Mitgliedern wie Viktoria Ehrke, einer Vertreterin der Rosa Liste, vorangetrieben wurde. Die Beschlüsse unseres Antrags in der Fachschaftenkonferenz und dem Studierendenparlament legten den Grundstein für die Einbringung des Themas in den Senat der Universität, wo daraufhin eine Arbeitsgruppe des Senats die Details ausarbeitete.

Die Einführung dieser Möglichkeit zur Selbstbestimmung ist ein bedeutender Meilenstein für die Universität Marburg und ihre Studierenden. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Universität die Bedürfnisse und Rechte aller ihrer Mitglieder ernst nimmt und sich für Inklusion und Diversität einsetzt.
Die neue Regelung bedeutet, dass geänderter Name und Geschlecht in allen universitären Angelegenheiten wie Prüfungsunterlagen, Studienbescheinigungen und dem elektronischen System der Universität berücksichtigt werden. Studierende der Universität Marburg können diesen Antrag über das Studierendenportal „Marvin“ einreichen.

„Die Uni Marburg ist eine der ersten Universitäten in Deutschland, die ein solches Verfahren bereitstellt. Ich hoffe, das unsere Initiative sich auf andere Universitäten ausweitet und ein solches selbstbestimmtes Verfahren keine Ausnahme mehr bleibt.“ – betonte Viktoria Ehrke

Der Prozess ist kostenfrei und hebt sich somit von bisher bestehenden Möglichkeiten der Änderung, wie dem Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. sowie der Änderung nach Personenstandsgesetz oder Transsexuellengesetz, ab.

„Dieser Erfolg ist auch im Hinblick auf das zum Ende 2022 versprochene Selbstbestimmungsgesetz von großer Bedeutung. Obwohl dieses Gesetz noch nicht verabschiedet wurde, sendet die Universität Marburg mit dieser Initiative ein klares Signal für die Anerkennung und Respektierung der Selbstbestimmung aller Menschen, unabhängig von Geschlecht oder Identität. “ – erklärte Viktoria Ehrke

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Kontakt: Rosa Liste Universität Marburg E-Mail: rosaliste(at)outlook.de

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Anträge für das StuPa Geschichte der Rosa Liste

Antrag zur Intervention gegen Diskriminierung von trans* & inter Studis

  1. Das Studiererendenparlament möge sich folgendermaßen positionieren:
    Die Vielfalt von Geschlecht ist Realität des universitären Alltags. Das Studierendenparlament spricht sich für die Förderung von selbstbestimmten und emanzipatorischen Strukturen aus, und unterstreicht förderhin die Wichtigkeit der Sichtbarkeit, und das Empowerment, von trans* und inter Personen. Die Studierendenschaft an der Philipps-Universität Marburg positioniert sich ausdrücklich gegen die soziale und strukturelle Diskriminierung von trans* und inter-Studierenden an der Universität. Jede Form der Benachteiligung von trans* und inter Personen aufgrund ihres Geschlechts und/oder ihrer geschlechtlichen Identität ist inakzeptabel.
  2. Das Studierendenparlament fordert den AStA auf,
    Diskriminierungserfahrungen von LSBT*I Studierenden zu recherchieren, und daraus hervorgehende strukturelle Benachteiligungen aufzudecken, um eine kritische und öffentlichkeitswirksame Debatte über den diskriminierenden Alltag von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten anzuregen. Der AStA möge sich dafür einsetzen, dass der Zwang zur binären Verortung des Geschlechts durch die Verwaltung der Philipps-Universität endgültig beendet wird. Mindestens die Anerkennung des DGTI-Ergänzungsausweises kann und darf nicht verhandelbar sein. Darüber hinaus soll der AStA darauf hinwirken, dass in der neuen Verwaltungssoftware ein Freifeld für die selbstbestimmte Eintragung des Geschlechts integriert wird. Die Lebensrealität von LSBT*I Personen an der Universität darf nicht pathologisiert werden
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Geschichte der Rosa Liste

Rosa Liste an der Philipps-Universität Marburg

Willkommen!

Fortschritt kann nur dann entstehen wenn wir fortschreiten. Politisch passiv, auf den Schultern der Toleranten und den Verfechtern von Akzeptanz bleiben LSBT*IQ auf dem Weg zu ihrer Emanzipation kaum weiter als in ihren Kinderschuhen stehen. Eine fordernde Emanzipation jedoch kann nur aktiv erlangt werden. Wir müssen aufstehen, rausgehen und uns gegen den Fortbestand heteronormativer Unterdrückungsmechanismen wehren.

Die augenscheinlich erzielten Fortschritte in der Emanzipation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen*, Trans* und Intersexuellen in der Frage um eine Gleichstellung mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen heterosexueller Lebensentwürfe, Normen und Standards entrückt die Diskussion um die tatsächliche Emanzipation marginalisierter sexueller und geschlechtlicher Identitäten ihres eigentlichen Gegenstandes.

Einerseits sind Ablehnung und Hass gegenüber nicht-heterosexuellen Menschen auch heute noch ein gesellschaftlich tief verankertes Phänomen welches sich nicht nur innerhalb einer Diskussion um Toleranz und Grenzen von Toleranz erschöpft. Andererseits wird durch eine kritische Analyse gesellschaftlicher Transformationsprozesse, welche sich aktuell insbesondere durch eine als „Rollback“ der Gesellschaft bezeichnete starke Ausprägung reaktionärer Tendenzen, nicht nur in Bezug auf Sichtweisen gegenüber der Emanzipation von LSBT*IQ, offenkundig, dass hegemoniale Interessen gesellschaftlicher Eliten, Meinungsführer_innen und in der Norm assimilierter Menschen eine massive Bedrohung der uneingeschränkten Würde des Menschen und der Befreiung von heterosexistischen Normen und Werten bedeuten. „Toleranz“, das Erdulden, Ertragen, impliziert ebenso wie „Akzeptanz“ einen intellektuellen Vorgang welcher sich durch ein Machtgefälle nährt. Die herrschende heteronormative Gesellschaft gewährt der nicht-heterosexuellen Minderheit ein Existenzrecht unter der Voraussetzung vollständiger Assimilation. Die passive Minderheit befindet sich somit in einem erzwungenen Abhängigkeitsverhältnis.

Infolgedessen kann auch trotz gemachter Fortschritte wie der Gleichstellung homosexueller Lebenspartner_innenschaften mit der traditionellen Ehe nicht von einer Befreiung von LSBT*IQ-Lebensrealitäten im Sinne einer Emanzipation, oder im Sinne von einer Beendigung des hegemonial-normativen Heterosexismus die Rede sein. Vielmehr wird, wie eingangs erwähnt, die zentrale Debatte um die Machtverhältnisse und Interessen der heterosexuellen Norm ihrem Kern entrückt, und durch Scheindebatten um eine gesellschaftliche und juristische Gleichstellung ersetzt. Explizite Frage- und Problemstellungen nicht-heterosexueller Menschen sind auch heute unterrepräsentiert und finden in der politischen, strukturellen und gesellschaftlichen Debatte kaum Beachtung. Die daraus resultierenden Lebensrealitäten finden somit primär nur im Kontext von Subkultur Raum für eine gleichwertige Entfaltung. Die mit dem Heterosexismus einhergehenden Formen gruppenspezifischen Menschenhasses schlagen sich einerseits in der strukturellen Unterdrückung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans* und Intersexuellen nieder; andererseits kann eine explizite Debatte um hegemoniale Männlichkeit nicht ohne die gleichzeitige Analyse weiterer Diskriminierungsmerkmale betroffener Individuen geführt werden. Intersektionalität ist ein inhärentes Thema diskursiver Diskriminierungsanalyse. Diese grundlegende Feststellung impliziert zwangsläufig auch eine Analyse der durch die heteronormative Hegemonie verankerten Formen gruppenspezifischen Menschenhasses auch im Kontext nicht-heterosexueller Subkultur. Rassismus, Sexismus und andere Formen androzentrischer Diskriminierung treten vermehrt auch in deklarierten Schutzräumen auf. Dennoch benötigt die Förderung der Emanzipation der sexuellen und geschlechtlichen Identitäten jenseits der Heteronormativität die Sicherstellung von Schutzraum. Nicht nur bilden sie eine Basis zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, vielmehr noch bilden sie Ankerpunkte für marginalisierte Identitäten zum kurzzeitigen, und auch hier nur eingeschränkten, Rückzug vor den Normvorstellungen der heterosexuellen Herrschaftsverhältnisse.

Die angesprochenen Missverhältnisse resultieren also nicht in einer defensiven und ansonsten politisch passiven Betrachtung, sondern in der Forderung nach einem emanzipatorischen Diskurs, der zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit patriarchalen und heterosexistischen Herrschaftsstrukturen impliziert.

Universitäten spielen in der Geschichte der Emanzipation eine nicht unerhebliche Rolle. Die intellektuelle Auseinandersetzung mit Herrschafts- und Diskriminierungsverhältnissen darf jedoch keinesfalls als ein ausreichender Schritt in der Beseitigung derselben bewertet werden. Die inhaltliche Beschäftigung und kritische Reflexion politischer Sachverhalte bildet das Fundament für eine emanzipierte politische Praxis. Dennoch transportieren auch Universitäten als Bestandteil elitärer Machtstrukturen Verhältnisse, die nicht-heterosexuelle Lebensrealitäten negieren und strukturell diskriminieren. Dies äußert sich unter anderem in der Absenz von Konzepten zur gezielten Förderung von LSBT*IQ im Alltag der Universität, wie auch die durch Nichtbeachtung spezifischer Fragestellungen grundlegende Negation ihrer Leben und ihrer Diskriminierung an der Universität. Zu lange schon werden Universitäten von der heterosexuellen Identität dominiert. Es fehlen Konzepte gezielten Mitdenkens von LSBT*IQ an der Universität; Awarenessprogramme zur strukturellen Bekämpfung von Hass gegenüber Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans* und Intersexuellen finden nur in unzureichendem Umfang Beachtung. Es muss Bestandteil von Forschung, Lehre und Organisation der Universität sein, wie und in welcher Form sexuelle Minderheiten strukturell gefördert werden können.

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Geschichte der Rosa Liste

„Homophob sind nur die Anderen!“

Vor 25 Jahren wurde Homosexualität aus dem Krankheitsindex der Vereinten Nationen gestrichen. Der 17. Mai wurde daher zum „Internationalen Tag gegen Homo – Bi und Trans*phobie“, kurz: IDAHOT erklärt. Er soll auf die anhaltende Diskriminierung sexueller Minderheiten überall auf der Welt hinweisen. Heute jährt sich der IDAHOT zum elften Mal.

„Homophobie“ – ein geflügelter Begriff. Aber wer oder was ist „homophob“ und was bedeutet das eigentlich? Nimmt man es wörtlich, sprechen wir von einer „Phobie“, ist es pathologische Disposition? Vielleicht würden einige Homohasser_innen sogar die These unterstützen, dass sie „nichts dafür können“ und ihnen ein Ekel oder allgemeiner Abwehrmechanismus urmenschlich, natürlich, zugrunde liegt – es ihnen eine Disposition ist, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Obwohl diese Position natürlich bestandslos und vollkommen lächerlich ist hat sich dieser Begriff jedoch durchgesetzt. Wer heute und in den vergangenen Tagen aufmerksam die Medien betrachtet hat findet mannigfache Analysen zu und über prominente Homohasser_innen wie Beatrix von Storch und Birgit Kelle oder aber Berichte aus und über Staaten wie Uganda oder Saudi-Arabien. Es scheint mir, dass in unserer „aufgeklärten Gesellschaft“ also folglich nur noch solche Personen homophob sind, die entweder dem von der Allgemeinheit ohnehin verurteilten Randgruppen Ultrakonservativer und Rechtsextremer angehören, oder keine „deutsche Sozialisation“ erfahren haben. Der gesellschaftliche Mainstream, „ob Hetero oder Homo“, fordert Toleranz und Akzeptanz, weil Schwule und Lesben doch „eigentlich ganz normal“ seien.

Nun also ist der_die geneigte Bürger_in endlich bereit „Normalität zu akzeptieren“, können sich Schwule und Lesben also freuen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Ein vielfach genutztes Muster „Homo, Hetero, Bi, Scheißegal“ ziert Poster wie auch Postkarten und suggeriert dass es heute egal sein könne welche sexuelle Orientierung das jeweilige Individuum hat. „Egal“ bedeutet dass nicht mehr darüber gesprochen werden muss, es kein Thema mehr für gesellschaftlichen Diskurs darstellen muss ob ein Mensch nun Hetero ist oder nicht. Ich muss gestehen, dass mich diese Position verwundert. Natürlich wünsche auch ich mir eine Welt, in der sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität keine Rolle mehr spielen, kein Thema mehr sind – aber ich wünsche mir auch eine Welt in der es keine Nazis gibt, es keinen Sexismus gibt, und in der jeder Mensch so viel besitzt wie er_sie mag und braucht. Allerdings ist dieser Zustand zweifelsohne weit entfernt. Ich stimme zu: Als schwuler Mann kann ich heutzutage in Deutschland unter bestimmten Bedingungen beinahe unbehelligt leben: Ein Haus, eine eingetragene Lebenspartnerschaft, ein Golden Retreiver. Ganz normal eben. Wer sich nicht anpasst ist eben selber schuld, wenn die Menschen komisch reagieren. Man muss ja nicht immer gleich „so krass“, „so tuntig übertrieben“, so „klischeeschwul“ oder „gleich ne Kampflesbe“ sein. Friss oder stirb quasi. Normalität ist eben nicht gleich Realität, sondern bezeichnet das Maß der Anpassung von Individuen und Minderheiten an die Herrschaftsverhältnisse der Mehrheitskultur. Diese ist weiß, heterosexuell und männlich. Akzeptanz also gleicht der Forderung nach einer Anpassung – die im Gegenzug vor Totschlag schützt. Sie ist soetwas wie unser Schutzzoll, den wir an die Gesellschaft zahlen müssen. Nur die Mehrheit kann die Minderheit akzeptieren, solange die Minderheit glaubt, dass sie die Akzeptanz der Mehrheit benötigt, solange sie einfach auch mitmachen können will.

Martin Dannecker postulierte schon 1971 in Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“:

„Da die Schwulen vom Spießer als krank und minderwertig verachtet werden, versuchen die noch spießiger zu werden, um ihr Schuldgefühl abzutragen mit einem Übermaß an bürgerlichen Tugenden. Sie sind politisch passiv und verhalten sich konservativ als Dank dafür, dass sie nicht totgeschlagen werden.“

Solange Menschen heute noch ein Coming-Out haben müssen, solange ein Kuss eine Provokation ist, solange Normalität als Synonym für Anpassung genutzt wird und wir auf Akzeptanz hoffen müssen ist es also noch lange nicht „scheißegal“ ob nun „hetero oder homo“. Sprechen wir darüber, kämpfen wir für unsere Emanzipation, werden wir sichtbar: Schrill, laut, tuntig und eben anders.

Ein Kommentar von Tarek Shukrallah

Datum der Veröffentlichung: 17.Mai.2015
Link zum Original: https://rosaliste.wordpress.com/2015/05/17/idahot2015/

Disclaimer: Dieser Inhalt wurde unverändert von der alten Website der Rosa Liste übernommen. Als Liste mit lange zurückführender Geschichte an der Universität verstehen wir die Bedeutung von Archivierung und Kontinuität. Was du hier liest, ist also nicht unbedingt unser heutiger Standpunkt, aber Teil dessen, woher wir kommen.